Kunst im Öltank – Shanghais West Bund Biennale

Stimmengewirr. Verkehrslärm. Töne langsam gespielt. Eine Sonate. Computergepiepse der späten Siebziger. LED-Leuchten hängen an Drähten. Wenn jemand näher kommt, wird er mit Flackern und immer schneller werdendem Geklacker begrüßt.

Eine junge Frau im lila Sakko zieht eine Schublade aus dem Apothekerschrank. Ein Sinuston erklingt. In der Schublade liegt der passende Graph. Die nächste Schublade. Der nächste Ton.

Im großen Rund des nächsten Öltanks stehen ein Zelt und ein aufblasbares Planschbecken. Wieder untermalen Klangfetzen das Werk. An den Wänden stehen kleine Kunstwerke aus Alltagsdingen. Eine Waage, in deren einer Schale eine Trillerpfeife und in der anderen ein Radiergummi liegt. Sehe ich da Willkür und Zensur?

Acht Öltanks stehen in dieser Industriebrache am Ufer des Huangpu. Gegenüber sind Pavillons der Expo im Smog – wir haben heute dreifache Grenzwertüberschreitung – gerade so zu erkennen. West Bund 2013 heißt die Ausstellung hier am äußersten Ende der berühmten Uferpromenade. Ein Stück Umbruch. Aufgegeben sind die Tanks, von ihrer ursprünglichen Bestimmung befreit sind sie nun Resonanzkörper für Chinas größte Soundinstallation. Ein echtes Erlebnis! Fremd, vertraut, originell und manchmal banal klingt es aus unzähligen Lautsprechern in den riesigen Zylindern, die noch vor kurzem mit Ölreserven für die Stadt gefüllt waren. In einem anderen Bau, der Rohrhalle, ist es sogar noch zu riechen.

An diesem Donnerstag ist nicht nur das Ohr gefordert – und erfreut, erquickt und manchmal gelangweilt. In der großen runden Kohlehalle mit dem Transportkran im Zentrum flimmern, nein heutzutage flimmern sie nicht mehr (oder doch?) Videos. In Bullaugen roher Schiffswände. Projiziert zu Füßen des Krans. In kleine, abgetrennten Kabinen. Sie zeigen Menschen im Neuen China. Maschinen. Und Frösche. Mit Elektroschocks angeregt auf kleinen runden Tellern als Schattenriss in allen Farben, die das psychedelische Spektrum bietet.

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