Willkommen im Jahr des Pferdes

Hühott!

Xin nian kuai le! So grüßt man sich dieser Tage in unserer Shanghaier Wahlheimat. Auf gut deutsch Prost Neujahr! Denn nach dem buddhistischen Kalender beginnt selbiges heute nacht, wenn wir im Flugzeug nach Saigon sitzen.
Das Jahr der Schlange wird verabschiedet, das Jahr des Pferdes eingeläutet. Im wahrsten Sinne des Wortes; denn in den Tempeln dürfen Normalsterbliche auf die schönen großen Glocken eintrommeln, Klöppel sind in China unbekannt, der Ton wird durch Draufhauen erzeugt. 108 Mal ertönt zum Beispiel die Glocke des Longhua Tempels – und wer schlägt, zahlt. China wäre nicht China, wenn nicht das Recht auf das Einläuten des neuen Jahres versilbert würde. Wie viel pro Schlag fällig werden? Man munkelt von dreistelligen Eurobeträgen. Dafür hat ein Herr Yu unlängst verkünden lassen, dass ihm sein Schlag, es war der 58., ins Jahr Jahr der Schlange Glück und Geschäftserfolg gebracht hat.

Neujahr feiert man mit der Familie, was die alljährlich die größte fernöstliche Reisewelle seit Dschinghis Khan die Mongolei verlassen hat auslöst. Geschätzte 300 Millionen Chinesen entern Züge, Flugzeuge und Busse, schwingen sich ins Auto oder aufs Motorrad, um in ihren ursprünglichen Heimatort den Eltern die Aufwartung zu machen. Die deutsche Weihnachtsfrage, ob man zuerst zu ihren oder zu seinen Eltern geht, stellt sich nicht: Die Eltern des Mannes gehen vor, dann geht es zu denen der Frau. Nicht schön ist, dass die Neujahrstage für Millionen von Wanderarbeitern auch die einzige gemeinsame Zeit mit den Kindern sind, die unter dem Jahr bei Großeltern, Onkeln oder Tanten untergebracht sind. Auch Mrs. Zhu, unsere Ayi hat jetzt zwei Wochen frei und besucht ihre 13-jährige Tochter und ihre übrige Familie, rund sechs Busstunden entfernt.
Wer hier bleibt, kauft ein. Massenhaft. Seit Tagen schiebt sich ein Menschenheer durch die Supermärkte und Läden. Riesenpackungen voller Kuchen und Süßigkeiten landen in den Einkaufswagen, um den Göttern Honig ums Maul zu schmieren. Rund muss die Form sein, damit niemand aneckt und sich der Kreis der Familie schließt. Man trägt neue Klamotten und isst Fisch, weil das chinesische Wort für Fisch „Yu“ zugleich Reichtum und Überfluss bedeutet. Weshalb man den Fisch niemals ganz aufessen darf, sonst wird es nichts mit dem Wohlstand. Vom Reichtum abgeschnitten ist auch, wer an den Neujahrstagen zum Friseur geht oder negative Wörter ausspricht.

Rote Laternen zieren ganz züchtig die Häuser, Glückszeichen prangen auf riesigen roten Plakaten und Bildern von Pferden in allen Variationen, Formen und Größen, vom Happy Pony bis zum rassigen Araberhengst, werden aufgestellt. Die Schlangen vom vergangenen Jahr wandern, nein, nicht in eine der zwölf jedem Tierkreis zugeordneten Neujahrskisten, wie es die schwäbische Hausfrau nach Vorbild der Weihnachtskiste auf dem Dachboden machen würde, nein, die alte Deko kommt in den Müll und mehrt so zumindest den Wohlstand der Neujahrsdeko-Industrie.

Begleitet wird der Ritt ins Jahr des Pferdes von ganz viel Feuerwerk. Während in Deutschland schlappe vier Stunden legal geböllert werden darf, heißt es in China ganz offiziell für sechs Tage „Feuer frei!“ Na dann: Xin nian kuai le!

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