Fünf Zimmer in Shanghai

Es war heiß, als wir Mitte August 2013 in Shanghai eine Dauerbleibe suchten. Höllisch heiß. 40 Grad. Tag für Tag sammelte eine Maklerin, einmal auch ein Makler, uns in unserer Übergangswohnung ein, um uns unsere Wohnträume zu erfüllen. Bisweilen war es ein Alptraum. Wie die Handvoll Häuser, mit denen unsere Besichtigungstour begann. Monatelang nicht bewohnt. Heiß, stickig, stinkig. Dunkelbraune Cordsofas mit Schimmelspuren.

Wir wollten möbliert mieten. Oder der vierstöckige Palast, lichtdurchflutet, reichlich Platz, schöne Umgebung. Doch ohne ein Möbelstück und die Miete um das Doppelte über dem Betrag, den der Arbeitgeber übernimmt. Die Villa mit dem sechs Meter hohen Wohnzimmer, Stuck, Galerie, elegantes wenn auch altmodisches Ambiente. Heizung mit Strom per Klimaanlage. Hören Makler nicht zu? F-U-S-S-B-O-D-E-N-H-E-I-Z-U-N-G war eine conditio sine qua non für die Anmietung. Auch wenn es im heißesten Sommer der Stadt schwerfiel, die unwirtlichen Wintermonate zu antizipieren. Auch das zweite Muss, fünf abgetrennte Schlafzimmer – drei für die Kinder, eines für die Eltern plus eines als Arbeitszimmer – schien den Vermittlern offenbar als bloße Verhandlungsbasis. Man stahl unsere Zeit, indem wir uns in Häusern mit wenigen, dafür riesigen Räumen tummelten. Spaßeshalber überlegten wir, ob die begehbaren Kleiderschränke zu Kinderzimmern mutieren könnten. Oder die fünf Bäder.

Witzig auch, dass eine Maklerin uns so lange überteuerte Immobilien mit Palast-Charakter anbot, bis sie unseren Unmut spürte. Die andere hingegen begann mit Schimmel-, Mini- und Stinkehäusern zum Niedrigpreis, ehe sie registrierte, dass wir den Etat gern auch ausschöpfen, wenn wir uns wohlfühlen. Der dritte gab nur ein kurzes Gastspiel, er schien nicht recht an unseren Vorstellungen interessiert. Gut, dass in China der Vermieter den Makler bezahlt. Nachdem sämtlich Unklarheiten beseitigt und eineinhalb Wochen vergeblicher Suche mit täglicher Besichtigungstour – bei 40 Grad Außentemperatur in leeren, nicht klimatisierten Häusern – verstrichen waren, war Licht am Ende des Haussuchungstunnels erkennbar. Eine passende Wohnstatt ging weg, bevor wir zuschlugen. Eine andere schlugen wir aus, weil das Mobiliar gar zu ziseliert aus dunklem Holz geschnitzt war, Modell deutsche Eiche in hässlich. Das nächste Haus passte, es hatte sogar richtige europäische Zentralheizung mit metallenen Heizkörpern an den Wänden. Für Shanghai extrem exotisch. Zurückzucken ließ uns die Distanz zur Schule mit dem Zwang für die vier schulpflichtigen Familienmitglieder, täglich den Hu Qing Ping Highway, eine der vielbefahrensten – und die längste – Straßen Chinas überqueren zu müssen. Lieber näher und weniger behaglich beheizt.

Wie unsere jetzige Bleibe. Wenn ich diese Geschichte zu Monitor (es wird sie ja kaum jemand auf Papier ausdrucken) bringe, spüre ich die Mängel. Drei Klimazonen unter einem Dach: Das Erdgeschoss dank Fußbodenheizung – Makler lernen auch hier, auf die Wünsche der Kunden einzugehen – subtropisch. Das Mittelgeschoss mit Kinder-, Arbeits- und Billardzimmer gemäßigt etwa wie die russische Tundra und das Studio mit dem Elternschlafzimmer unter dem Dach subpolar.

Aber die Winter sollen hier ja eher kurz sein.

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