Wer braucht schon ein Legoland?

Ab 2017 soll auch in Shanghai ein Legoland für Zerstreuung sorgen. Dabei rauben einem schon Disneyland (ab nächstem Jahr), der Happy Valley Themenpark und der Dauerstau auf den Hochstraßen mehr oder weniger unterhaltsam die Zeit. Und außerdem braucht es ein solches künstliches Klötzchenparadies hier doch gar nicht.

Habt Ihr, liebe Leser (die Leserinnen vielleicht eher weniger), in Euren Kindertagen nie Wolken-, besser gesagt Deckenlampenkratzer aus bunten Legosteinen gebaut, je höher desto besser? Seht Ihr. Nichts anderes passiert in meiner Wahlheimat seit gut zwei Jahrzehnten tagtäglich.

Millionen von Klötzchenaufeinandersetzern tummeln sich auf den Baustellen von Shanghai Tower, China National Convention Center und der neuen Fress- und Shoppingmeile gleich vor meiner Compoundtür und machen das, was ich einst im Ober-Erlenbacher Kinderzimmer jahrelang betrieben habe. Sie setzen massenweise Klötzchen aufeinander. Zugegeben: Meine Klötzchen waren kleiner, dafür aber bunter. Und ich bin allein und nicht so viele wie die chinesischen Wanderarbeiter auf den Myriaden von Baustellen. Die ihrerseits übrigens nicht in selbst gebauten Klötzchenhäusern wohnen, sondern in Containern. Ein bisschen wie ich damals, als ich im Kinderzimmer aus zwei Umzugskisten eine Wohnstatt errichtet habe, um meinen Legohäusern näher zu sein und frühmorgens zur ersten Schicht am Legokasten zu sein, Klötzchen aufeinanderstapeln. Auch am Wochenende, was mich mit meinen chinesischen Lego-Landsleuten verbindet.
Doch damit nicht genug: Genau wie ich damals ich haben die Shanghaier Klötzchenbauer heute einen Heidenspaß dabei, ihre Klötzchenstädte nach einiger Zeit wieder abzureißen und neue, größere und schönere aufzubauen. Dazu nutzen sie – wie ich damals – die alten Klötzchen ebenso wie die vielen neuen, die es zu Weihnachten und Geburtstag gab, die im modernen China aber offenbar als Endlosstrom zur Verfügung stehen.
Ganz wichtig ist außerdem, dass eine gewisse Zeit lang unaufgeräumtes Chaos aus Abrissklötzchen im Kinderzimmer herrscht und der Boden gefühlte zehn Zentimeter hoch mit Legoschutt bedeckt ist. Ein Zustand, der allenthalben und vielerorts in Shanghai im Großen zu sehen ist. Wenn dann die Partei – oder meine Mama – sagen, dass das nicht schön aussieht, heißt es, in die Hände zu spucken und das Bruttosozialprodukt mittels reger Bautätigkeit zu steigern. Bis die Klötzchen aufgebraucht sind und die nächste Abrissphase ansteht.
Nach diesem Lego-Prinzip funktioniert Shanghai. Braucht es dann wirklich noch einen Ableger des britisch-dänischen Kinderparks?

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