Schreiben über Essen. Keine leichte Übung. Versuchen wir es. Mit einem kleinen Ruck die Flügel abreißen. Es knistert ein wenig. Beherzt zubeißen. Jetzt knackt es leicht zwischen den Zähnen. Fast vorwurfsvoll haben die toten Augen der braunen Heuschrecke uns angesehen, vor dem Verzehr. Der Geschmack: Leicht nussig. Die Textur erinnert an … an was eigentlich?
Der Chitinpanzer knackt wie ein krosser Kartoffelchip, schmeckt aber weniger versalzen. Das eiweißhaltige Innere des Kerbtiers ist gerade à point knusprig gegrillt. Ein, zwei Bisse und es ist weg. Und gleich das nächste hinterher. Was hängt da zwischen den Zähnen? Ach so. Die Flügel. Natürlich, die muss man vorher abzupfen. Mit der Routine des norddeutschen Krabbenpulers werden die toten Hautflügler von ihren Tragflächen befreit und zackzack verspeist.
Wir reisen im Tuktuk durch die Umgebung von Battambang, Kambodscha, und unser Fahrer ist stolz darauf, uns die exotischen Kulinaria seiner Heimat nahe zu bringen.
Dazu gehört auch der nächste Straßengrill, den wir ansteuern. Nach asiatischer Art im Ganzen, also mit Kopf und Schwanz, liegen dort Ratten in Reih und Glied. Ein erster Bisstest zeigt: Nicht viel Fleisch dran. Der Geschmack des zarten weißen Muskels erinnert entfernt an Huhn. Wobei dieses Gefühl wieder mit der Textur zusammenhängt. Schnell stößt der Zahn auf einen dünnen Knochen im Schenkel der zur Gattung der Langschwanzmäuse gehörenden Nagetiere. Alles Feldratten,, versichert unser Tuktukfahrer, übrigens der netteste und gebildetste, den wir auf unserer Reise kennenlernten. Die uns servierten Tiere hätten nichts mit den in Kloaken lebenden Stadtratten zu tun. Erlegt würden sie einzeln mit der Zwille. Wir nicken eifrig, greifen noch einmal zu. Grillen macht Keimen ja den Garaus und diese Rättlein sind gut durch, aber nicht zäh. Schwanz und Kopf lassen wir übrig. Ach so: Als wir ein paar Tage später mitten in Phnom Penh einen Lieferwagen mit Rattenkäfigen auf dem Weg zum Rattenschlachthof sehen, zweifeln wir an der Einzeln-per-Zwille-Jagd-Geschichte. Aber sie klingt so schön: Ratten aus ökologisch korrektem Wildfang, lokal produziert und von Frauen – schafft Arbeitsplätze! – gegrillt und serviert.
Der Frosch in der Strandkneipe im vietnamesischen Badeort Pan Thiet wurde dagegen prosaisch und geschichtslos serviert. Bestellt, bekommen, gegessen, geschmeckt. Wie bei jedem hellen Fleisch an kleinen Tieren wird der Geschmack meist mit „hähnchenähnlich“ beschrieben. Die Textur trifft zu. Das Hähnchenähnliche auch. Sofern damit gemeint ist, dass man das nicht sehr intensiv schmeckende Fleisch gut würzt und damit auf einen asiatischen Einheitslook trimmt.
Wir haben auch viele nicht probiert. Weder musste sich eine Schlange durch unsere Magenröhren winden, noch passierte eine enthaarte Tarantel unsere Mundhöhle. Krabben gerne mal, doch Kuhkopf, Schweinsfuß und breitgelatschte Eidechse blieben – noch? – außen vor. Und der geschmorte Yak-Penis im Sichuan-Restaurant war gerade aus.
Viele wissen es vielleicht nicht, aber in Asien dürfen sich auch Vegetarier ekeln. Vor den wunderschönen Durian-Früchten mit ihrer grobstacheligen Haut. Deren Verzehr in geschlossenen Räumen in der Regel verboten ist. Denn sobald die Schale mit der Machete aufgeschlagen wird, sie ist sehr dick, entfaltet sich eine Duftwolke, deren nähere Beschreibung so nahe der menschlichen Verdauung ist, dass wir an dieser Stelle darauf verzichten mögen. Dabei schmeckt das hellgelbe Fruchtfleisch wunderbar süß, ähnlich der Mango, aber zarter und weniger faserig. Leider wiegt das in den Augen von Frau und Kindern den Odeur von Verwesung und Tod, der die Frucht umgibt, nicht auf. Kurz: Zu Hause sind die Dinger verboten.
Doch lasst uns den heutigen Beitrag mit etwas Angenehmeren schließen. Zum Beispiel mit freudig frittierte Kartoffelspiralen kauenden Kindern. Oder den Kunstwerken, die chinesische Köche in Hainan aus banalsten Zutaten schnitzen. Denn das Auge isst mit. Und wird manchmal mitgegessen, wobei wir wieder bei den Heuschrecken wären.