Man kann es nur Mobbing nennen, was Skytrax Air Koryo antut. Vier Jahre hintereinander nennt das britische Beratungsunternehmen Nordkoreas Staatslinie „schlechteste Airline der Welt“. Und die eifrig diesen Unfug nachbetenden Journalistenkollegen nehmen den Eimer Häme bereitwillig zur Hand und schütten ihn bereitwillig über Air Koryo aus – ohne das Produkt aus eigener Anschauung zu kennen. Kritisches Bewusstsein ohne Risiko; denn Kim Jong-Un winkt weder mit Anzeigenstopp oder Gegendarstellung. Doch nun genug Kollegenschelte und hinein ins richtige Leben. Protokoll einer Reise mit dem Pariah der Lüfte.
Die schlichte Staatsflagge ziert das Leitwerk. Ein Statement, das wohl besagt, wir haben keine Konkurrenz am Himmel über unserem Land und somit diesen Designfirlefanz der kapitalistischen Airlines nicht nötig. Die Kabine ist nüchtern-sachlich eingerichtet, die Stewardessen sind ausnahmslos ausnehmend hübsch. Woher stammt eigentlich der Ruf der Gesellschaft als „schlechteste Airline der Welt“? Süffisant wird dann angemerkt, wie alt die Flugzeuge von Air Koryo seien, manche gar noch aus Sowjetzeiten stammen. Und dass die Linie zwischen 2006 und 2010 komplett auf der „Schwarzen Liste“ der EU stammt und bis heute nur zwei Air Koryo-Jets ins EU-Gebiet einfliegen dürfen. Eine dieser beiden Tupolew 204 rollt mit uns an den Start. Das Modell wird seit 1995 gebaut, ist damit jünger als die Boeing 767-Flotte der Condor, deren Jets im Schnitt schon 21 Jahre Dienst tun.
Wir heben pünktlich ab und zu keinem Zeitpunkt klappert es in der Kabine, offensichtlich funktioniert alles reibungslos. Übrigens ist seit Gründung von Air Koryo 1956 kein einziger Absturz bekannt geworden. Und zumindest in der jüngeren Vergangenheit wäre dies wohl kaum unentdeckt geblieben.
Zu den Pluspunkten an Bord zählt die Verpflegung. Es gibt einen Hamburger, bestehend aus dem branchenüblichen Labberbrötchen mit Salatblatt und durchaus schmackhaften Hackfleischfladen, dazu das bekannt gute nordkoreanische Bier (keine Ironie!). Ich bin schon bei laut Skytrax edleren Airlines schlechter verpflegt worden. Das Unterhaltungsprogramm stimmt zumindest auf das Reiseziel ein: Auf großen Monitoren läuft ein Konzert des nordkoreanischen Mädchenorchesters Moranbong. Weiße Fantasieuniformen mit Blingbling-Besatz und kurzen Röckchen tragen die Schönheiten, spielen auf elektrisch verstärkten Geigen und Celli. Über der Band flimmern, wohl passend zu den patriotischen Songs (meine Vermutung), Propagandafilme, die der heldenhaften Volksarmee huldigen. Panzer, Kim und Raketen halt. Eine gute Einstimmung auf das Land und verglichen mit dem Bordprogramm anderer Kurzstreckenairlines für den kurzen Hüpfer von Beijing nach Pjöngjang amüsant und abwechslungsreich. Über Technik des Fluggeräts und Kompetenz des fliegenden Personals wage ich kein Urteil. Immerhin sind es dem Vernehmen nach fest angestellte Militärpiloten, die uns kutschieren und keine Freiberufler frisch von der Flugschule wie es bei europäischen Billigfliegern üblich ist.
Nach der Landung zückt mein Reisebegleiter sein Handy und hält den historischen Moment unserer Ankunft im Bild fest. Die hübsche Stewardess schaut plötzlich gar nicht mehr freundlich. Sie nähert sich und will die Fotos sehen. Nicht um sie zu bewundern, sondern um sie kalt lächelnd zu löschen. Beim Aussteigen holt ein einheimischer Mitreisender seine Duty-free-Einkäufe aus dem Gepäckfach. Nicht eine, nicht zwei, nein, gleich fünf Flaschen Chivas Regal hat der Herr sich gegönnt. Cheers!
Am Flughafen steht ein topmodernes Terminal mit echt alten Iljuschin-Veteranen. Ein Potemkinsches Dorf, denn die Jets sind stillgelegt und das Terminal nicht in Betrieb. Wir reisen durch ein Gebäude ein, dessen Charme mich sofort an die Turnhallen meiner Kindheit erinnert. Aber Flughäfen wollen wir ja hier nicht bewerten.
Der Rückflug eine Woche später ist von Turbulenzen geprägt. Aber kann die Airline etwas dafür? Oder wirft der Herr im Himmel eigens für den Eisenvogel aus dem gottfernen Schurkenstaat seine Windmaschine an?
Air Koryo – nicht die schlechteste Airline der Welt
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