Affenschande und Affenglück liegen in Asien dicht beieinander. Die einen chillen in heißen Quellen, andere führen angeleint alberne Kunststücke am Straßenrand vor. Von Primaten handelt der erste Teil von Lewekes Tierleben – vielleicht weil Affe mit A anfängt. Aber eher, weil die Primaten unsere nächsten Verwandten im Tierreich sind.
Da ist zum Beispiel der Strandaffe auf Koh Tao. Am einzigen, mager belaubten Baum kurz hinter dem Spülsaum des türkisblauen Wassers im Golf von Siam festgebunden fristet er ein Dasein zwischen den Tauchschultouristen, die ihn alle bedauern, der Exotik wegen dann doch die Kamera zücken und abdrücken. So wie ich. Man möchte sich exkulpiert fühlen, da man jetzt dieses Elend beschreibt und publik macht. Aber warum zückt man nicht den Geldbeutel und kauft das arme Tier frei, um es mit seinen Artgenossen im Dschungel zu vereinen? Vielleicht, weil die offensichtlich misshandelte Kreatur sofort aggressiv wurde, als ich mich ihr näherte. Gegenüber anderen Männern übrigens auch. Mit Frauen und Kindern dagegen posiert der Affe willig, wird gar zutraulich. Hey, Junge, wer hat dich denn so gequält, dass du unser Geschlecht ein für allemal hasst? Ich will es lieber nicht wissen.
Seit Jahrtausenden lässt der Mensch Tiere für sich arbeiten. Als Last- und Zugtier, als Milch- und Fleischlieferant, als Kuschelobjekt und Jagdhelfer. Wenn das Tier weder Lasten tragen mag, keinen Pflug ziehen kann, zu wenig Milch und kaum Fleisch liefert und sich zudem der Kuschelei verweigert, bekommt es einen Job als Stadtaffe. Wie dann der Arbeitgeber mit seinen angestellten Affen umgeht, erfuhr ich unlängst in Shanghai, genauer gesagt unserem heimatlichen Vorort Xujing. Ihr müsst euch vorstellen, dass ihr durch die Einkaufsstraße einer nicht sonderlich attraktiven Kleinstadt, wie zum Beispiel Fulda oder Rheine, bummelt und auf dem breiten Bürgersteig an einer Bushaltestelle ein mittelalter, sonnengebräunter Mann mit Halbglatze seine drei dressierten Affen vorführt.
Dicke Leinen hindern die Tiere am Abhauen und ein offenbar bissiges Mitglied des Trios trägt ein primitiv zusammen gedrehtes Drahtgestell als Maulkorb. Die Affentruppe und ihr in Camouflagejacke gekleideter Dompteur „spielen“ einen Krimi. Zumindest lässt sich das aus der „Handlung“ schließen, in deren Verlauf ein diebischer Affe sich zum Genickschuss aus der Spielzeugpistole niederlegt. Muss man nicht mögen. Fand auch kein großes Publikum: Nur wenige Passanten halten zum Zuschauen an. Der Applaus? Bleibt aus.
Hätten sie die Wahl gehabt, hätten sich die shanghainesischen Xujing-Affen wohl lieber ihren balinesischen Vettern in Ubud angeschlossen. Die tummeln sich ziemlich frei und unbeschwert im Affenwald um den Tempel Pura Dalem Agung Padangtegal. Die einzige Arbeit, zu der die 340 Makaken auf der indonesischen Insel bisweilen gezwungen werden: Die Besteigung eines Touristen, um ein Bananenstückchen zu ergattern. Was aber nicht selten, vor allem, wenn der Autor dieser Zeilen der Tourist ist, zu mehr Unbehagen auf Seiten des Touristen führt. Kann man nicht den Affen ein Bier in die Hand drücken und mich danach grapschen lassen? Wenigstens habe ich keine Bisswunden davon getragen wie die blonde junge Dame neben mir, die offenbar nicht begriffen hatte, dass Nahrungssuche in der Tierwelt tödlicher Ernst ist und der Affe nicht spielen, sondern fressen will. So nahm deren heiter gemeintes Spiel ein blutiges Ende, ihr Finger musste verpflastert werden. Ich möchte noch gerne ergänzen, dass die Bali-Affen mit ihrer halben Iro-Frisur ziemlich bescheuert aussehen. Genauso bescheuert übrigens wie ihre kambodschanischen Kollegen, zumindest einer davon. Wobei man vom Äußeren nicht auf die Intelligenz schließen darf, wie dieser Vertreter seiner Affenzunft bewies, indem er eine hingeworfene – nicht von uns! – Limonadendose fachgerecht leerte.
Gibt es denn nur Affenelend in Asien? Natürlich nicht. Schließlich existieren noch die Japanmakaken in Japan, die es sich wahrhaftig gut gehen lassen dürfen. Wenn es um die Olympiastadt Nagano so richtig rattenkalt wird, tauchen sie in die heißen Quellen von Jiogkudani ein. Das Affen-Onsen – so nennt der Japaner sein Thermalbad – behagt den Primaten dabei ganz offensichtlich so sehr wie ihren nächsten Verwandten, uns Menschen. Vielleicht sogar mehr. Denn im Gegensatz zu uns stören sie sich überhaupt nicht daran, beim Baden fotografiert zu werden. Nein, die scheulosen Gesellen hüpfen sogar vor unseren Augen aus dem Wasser und zeigen ihren blanken Körper, dessen Formen nicht mehr hinter langem Wuschelhaar verborgen sind, sondern so frei liegen, als wollten sie eine Affenversion des Wet-T-Shirt-Contest gewinnen. Obwohl: Ihre Gesichter sind alldieweil rot angelaufen. Wer jetzt das Schwimmen mit Altweltaffen als Attraktion andenkt: Ist nicht. Wo der Makake badet, dürfen Menschen nicht rein.