Japans Schnee lässt den Shanghai-Reporter auftauen. Habt ihr, liebe Leserinnen und Leser, euch auch schon gefragt, ob euer Lieblings-Berichterstatter aus der „Stadt der Zukunft“ (P.Bauer) eingefroren ist? Oder ob er sich in Shanghais Smog zu Feinstaub aufgelöst hat? Ehrlich gesagt hat „er“ (J. Cäsar) sich ein wenig so gefühlt. Die „graue Stadt am Meer“ (Th. Storm) kann ihm schon manchmal die Feder lähmen, dem Sensibelchen am grauen Rechner.
Aber heute gilt „wohlan die Zeit ist kommen, mein Pferd das muss gesattelt sein“ (H.Melchert)! Der Ritt nach Japan über die „Luftbrücke“ (I.Joke) war bisher fürwahr ein wohl gelungener. Japans Alpen zeigen sich von ihrer winterlichsten Seite: Auf mehrere Meter türmt sich der Schnee, nein, nicht „nebeneinander“ (O.Waalkes), sondern übereinander. 375 Zentimeter in 1515 Meter über dem Meer bei minus zehn Grad meldet die Bergstation Hakuba Goryo.
„Lots of snow, lots of fun“ (M.Leweke): Den Kindern zieht die weiße Pracht spontan die Mundwinkel nach oben, bis diese fast an den Ohrläppchen hängen. Oskar taucht ins Iglu, welches der allzeit hilfsbereite Pensionswirt Albert auf der Terrasse seines Santana Hakuba errichtet hat, wie ein „Schneemann“ (J.Fauser). Hastig zusammengeknüllte Flocken wechseln mit Wurfgeschwindigkeit die Seiten, zerfallen an Skijacken, Mützen und tränenauslösend an Kinn- und Nasenspitzen in grobe Einzelteile. Deckung suchend stapfen, jagen, gleiten Kids durch den Schnee. Und dabei war die Reisegruppe, sechs Erwachsene, vier Kinder, drei Jugendliche, noch nicht einmal beim Skiverleih.
Denn dort beginnt das, was den Shanghai-Reporter amüsiert, seit er es das erste Mal erlebt hat. Menschen wechseln vom bequemen, der humanen Fortbewegungsweise angepasstem Schuhwerk in Hartschalenbotten, deren Verschließen sich wie das Durchladen der Gewehre eines Exekutionspelotons anhört. Dermaßen eingesperrt mutieren die Unterschenkel zu das Gehen mehr verhindernden als ermöglichenden Körperteilen. Man setze sich nur einmal mit offenen Augen in die Vorhalle einer Aufstiegshilfenanlage und beobachte den Versuch des Skiliftwalzers. In den Hüften leicht rollend wie beim Lambada, an den Fersen „klackernd“ (F. Astaire), nur arhythmisch und mit verbissenem Gesichtsausdruck tanzen die „Skihaserln“ (T.Sailer) ihrem Element entgegen.
Der Shanghai-Reporter, in diesen Dingen stockunmusikalisch beschränkt sich aufs Skitragen, Skistöcketragen, Skihelmtragen, Skihandschuhetragen und Skipasskaufen für den Nachwuchs, der sich frohgemut in schwankende, an dicken Stahlseilen befestigte Holzbänke schwingt und im dichten Schneetreiben gen Himmel entschwindet.
Derweil ruht sich ein wenig abseits die kleine Pistenraupe Nimmersatt aus. Ihre Ketten stehen still, an ihren Kauwerkzeugen klebt noch ein Rest Schnee. Man möchte meinen, es ist die Wegzehrung, die das stählerne Nutztier sich für den Tag mitgenommen hat, ehe das nachtaktive Wesen sich zur abendlichen Runde einfindet und sich einverleibt, was die Skifahrer tagsüber zum Futtern zerpflugt, zerwedelt und zerschusst haben. Brav gleitet im Licht der Scheinwerferaugen ihr breites Raupenmaul über das misshandelte Weiß und scheidet es in planen Pisten wieder aus. Auf dass die Familie des Shanghai-Reporters und ihre Freunde morgen wieder für Futter sorgen.